Reinhart Behr Online:   Oh, dieses Dänisch! - Leseprobe -

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Allein schon die Aussprache!

Vor vielen Jahren, damals noch Lehrer in Berlin, besuchte ich mit meiner Klasse Kopenhagen. Wir wohnten in einer Jugendherberge, im nahe gelegenen Rådvad . Eines abends ließ sich ein Schüler, um vor "Torschluß" zur Stelle zu sein, mit dem Taxi dorthin fahren. Er nannte das Ziel, das er "Ratfat" aussprach. Ratlosigkeit des Taxifahrers. Nach einigem hin und her dämmerte diesem: "Du willst wohl nach - wie er es aussprach - Rooðwääð!"

Das "ð" hier ist einer der schwierigsten Laute der dänischen Sprache, kein gewöhnliches "d", eher ein Mittelding zwischen "d" und "l", falls man sich darunter etwas vorstellen kann. Der Laut ist ähnlich dem englischen stimmhaften "th", nur sanfter gesprochen. Mit diesem englischen Laut haben bekanntlich viele Deutsche ihre Probleme und sprechen ihn wie "ds". Die Ähnlichkeit zum dänischen Laut erklärt sich dadurch, daß die Angeln, Sachsen und Dänen diesen nach England brachten, als sie dort vor tausend und mehr Jahren einfielen.

Alle Lehrer des Dänischen, etwa an VHS, und alle Lehrbücher quälen sich ab, diesen merkwürdigen Laut zu beschreiben, manchmal sogar mit Erfolg. Den Vorschlag, man müsse ihn wie ein d aussprechen, wenn man eine heiße Kartoffel im Mund habe, hört man zwar oft, aber auch er ist wenig hilfreich.

Es überrascht nicht, daß der Laut auch auf Island und den Färöern vorkommt. Er wird dort mit dem "ð" wiedergegeben, das wir auch hier benutzen. Den Buchstaben findet man auf den meisten Computern, wenn man in der Übersicht "International" die isländische Sprache aufsucht.

Der Laut ist aber nicht auf die germanische Sprachfamilie beschränkt. Das spanische "d" wird oft ebenso gesprochen, etwa in "helado" ( = "Speiseeis").

Ebenso ist es mit dem griechischen d, etwa in " den " ( = "nicht"), in lateinischer Schreibweise "den", gesprochen "ðen".

Das mit dem Dänischen sonst so verwandte Schwedisch (ebenso wie Norwegisch) hat den Laut nicht. "Aus" heißt auf Dänisch "ud", gesprochen "uuð ", wobei dieses ð schön lang gesprochen wird. Das empfinden auch Dänen als wenig schön im Vergleich zum entsprechenden schwedischen "yt", gesprochen "üt". Dieses Wort ist im Sinne von "aus = vorbei" sogar ins Dänische als Fremdwort übernommen worden.

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Unisex

Das Deutsche hat drei Geschlechter - sagt man. Biologen schütteln hierbei den Kopf, denn es gibt in der ganzen Natur immer nur zwei Geschlechter. In der Tat ist ja "sächlich" keine Geschlechtsangabe.
Die romanischen Sprachen sind darin logischer. Nur "männlich" und "weiblich" werden unterschieden.
Das Englische ist bekanntlich "geschlechtslos". In Alt-Englisch war das noch anders, es gab drei "Geschlechter", wie im Deutschen. Als Relikt davon wird noch heute im Englischen ein Schiff als weiblich aufgefaßt und "she" genannt. Im Dänischen ist für ein Schiff auch noch teilweise "hun" ( = "sie") üblich.

Beim Dänischen von Geschlecht zu sprechen ist eigentlich vollends absurd. Denn man unterscheidet zwischen "sächlich" und dem sog. "Gemeinschafts-Geschlecht", bar jeden biologischen Sinnes.Vielleicht sollte man in Anlehnung an die in den sechziger Jahren aufgekommene Mode von "Unisex" sprechen. Nur in einigen Dialekten Jütlands gibt es noch die alten drei Geschlechter. "Mand" ( = Mann) und "kvinde ( = "Frau") haben das Gemeinschaftsgeschlecht, "barn" ( = Kind") ist sächlich.
"En lærer" ( = "ein Lehrer") kann auch "eine Lehrerin" bedeuten. Den Dänen bleiben daher neue Konstruktionen wie "Lehrer In " erspart. Wie spricht man dies eigentlich aus, um es von dem alten Wort "Lehrerin" zu unterscheiden?
Auch im Dänischen kann man noch von "en lærerinde" ( = eine Lehrerin") sprechen, das geschieht aber nur noch selten. Während wir sogar im Artikel Unterschiede machen, indem wir " ein Lehrer" und " eine Lehrerin" unterscheiden, ist das im Dänischen nicht möglich, da es ja nur das Gemeinschaftsgeschlecht gibt.

Früher wurde eine Lehrerin in Deutschland oft "Fräulein" angeredet, in Dänemark entsprechend "frøken". Das spiegelt die alte Vorstellung, daß in der Regel unverheiratete Frauen, ja boshaft gesehen junge Mädchen mit wohl geringen Heiratschancen Lehrerin wurden.

Das Wort "frøken" gelangte ins Dänische aus dem Plattdeutschen. Dort entsprach es dem hochdeutschen "Frauchen". In Norddeutschland und Holland wird die Verkleinerung durch "-chen" oder "-ken" gebildet, in Süddeutschland durch "-lein" oder "-le". Die Holländer lieben ihre Verkleinerungsformen. Sie sprechen - ins Deutsche übertragen - von "Teestündchen" und bei Kindern von "Verkehrsopferchen".

Das Dänische kennt merkwürdigerweise Verkleinerungsformen sonst nicht. Eine Ausnahme - neben "frøken" - ist nur "tallerken", eigentlich "Tellerchen", heute allgemein für "Teller" benutzt. Es ist schwer zu fassen: Dieses Wort wird auf der zweiten Silbe betont, "tallérken", was die Verkleinerungsform kaum mehr erkennen läßt.

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