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  Reinhart Behr:   Leben mit Mathematik - Rolle der Mathematik -

 Inhalt  Vorwort  I: Rolle der Mathematik  II: Studienjahre  III: Referendariat  IV: Lehrberuf  V: Mathematik im Ruhestand

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Ie) Kriegsende und Schulabschluss

Gegen Kriegsende lebten meine Mutter und ich als Ausgebombte in der Lüneburger Heide. Ich hatte das Glück, als Sechzehnjähriger - im Gegensatz zu manchen Kameraden - gerade dem "Volkssturm" bzw. Militär zu entgehen. Die Gymnasien waren geschlossen. Ich bildete mich weiter als Autodidakt, wie Nachbarn mich mit einer Mischung aus Respekt und Reserve nannten.

Ich vertiefte mich in meine geliebte Mathematik und verdrängte das Kriegsgeschehen, das man durch die vorbeiziehenden endlosen Flüchtlingskolonnen vor Augen hatte. Erst später schämte ich mich hierfür.

Im September 1945 konnte ich den Schulbesuch an meiner alten Schule, sogar meist mit den vertrauten Lehrern, fortsetzen. Im Frühjahr 1947 bestand ich das Abitur. Mein Berufswunsch stand fest: Mathematik-Lehrer.

Die Erfahrung mit meinem letzten Mathematik-Lehrer bestärkte mich darin, aber nicht durch seine didaktische Fähigkeit, sondern gerade umgekehrt. Der hilflose Mann war das, was man eine didaktische Katastrophe nennt. War er mit seinen Erklärungsversuchen am Ende, sagte er bisweilen: "Versuchen Sie es doch, Behr, die Dinge zu erklären!"

Wohl auch um seinen Kollegen zu imponieren, wählte dieser Lehrer für mein mündliches Abitur die Aufgabe, ein Integral von kartesischen in Polarkoordinaten überzuführen. Ich hatte schon schwere Integrale "geknackt", versagte hier aber kläglich. Nur meine Vorzensur verhinderte einen blamablen Mathematik-Abschluss.

Bei manchem Mitschüler hatte der Lehrer eine solche Angst vor dem Fach Mathematik bewirkt, wie ich sie nur zu gut aus dem Turnunterricht kannte, mit gänzlich gebrochenem Selbstvertrauen zur Folge. Resigniert sagten sie: "Zu Mathematik bin ich eben zu dumm!" Ich nahm mir vor, als Lehrer einmal den Schülern solche Erfahrungen zu ersparen.

    
behr-a-r@mail.dk