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  Reinhart Behr:   Leben mit Mathematik - V ... im Ruhestand -

 Inhalt  Vorwort  I: Rolle der Mathematik  II: Studienjahre  III: Referendariat  IV: Lehrberuf  V: Mathematik im Ruhestand

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V Ruhestand - freie Bahn für die Liebe zur Mathematik

Erste Erfahrungen nach dem Ende der Berufspflichten

Bei Beginn meines "Ruhestandes" - 1988 - stand ich vor der Frage: Wie würde ich ohne den Schulalltag, vor allem ohne die Begegnung und den Austausch mit Schülern leben?

Nun, nur zu verständlich genoss ich es, von den täglichen Pflichten entbunden zu sein. Von diesen hatte mich am meisten die Pflicht geplagt, den ständig umfangreicheren Vorschriften der Bürokratie gerecht zu werden.

Meine Empfindungen zeigten sich am treffendsten in Träumen. In diesen erlebte ich - bis heute!- immer wieder Situationen peinlichen Versagens:
- Ich komme wegen immer neuer Verkehrshindernisse zu spät in die Schule.
- Die Behörde hat entdeckt, dass ich wichtige Vorschriften nicht korrekt eingehalten habe.
- Ein Schulrat will unangemeldet meinen Unterricht besuchen, ich bin aber völlig unvorbereitet. Im Unterricht selbst klappt dann fast nichts. Oft handelt es sich um eine Physikstunde. Kein Versuch gelingt. Die Namen der Schüler sind mir entfallen. Dies ist um so peinlicher, da diese mich wohlwollend und erwartungsvoll anblicken.
- Schlimmeres: Die Behörde hat entdeckt, dass ich überhaupt kein Abitur nachweisen kann, dieses also nachholen muss.

Stets erwachte ich nach solchen Träumen "in Schweiß gebadet" und erlebte die riesige Erleichterung, dass alles nur ein Traum war.

Ein Tiefenpsychologe würde hieraus einiges entnehmen, z. B. dass "mein Unbewusstes" ganz anderes Befürchtetes verdrängen wolle, vielleicht ein sexuelles Versagen. Dergleichen Deutungen haben mich nie interessiert. Ich betrachtete sie als spekulativ und unwissenschaftlich, wofür diese Psychologen natürlich auch eine Erklärung bereit hätten, die in ihr Weltbild passt.

Situationen wie die in den Träumen hatte ich in der Realität kaum erlebt, mit der Ausnahme des Verhältnisses zu Vorschriften. Dieses war immer sehr distanziert und ich vergaß sie nicht selten. Hinweisen eines darin sehr gewissenhaften Kollegen verdanke ich es, dass ich bisweilen gerade noch rechtzeitig vor Unannehmlichkeiten durch Versäumnisse bewahrt wurde.

Was ich vermisste, war das Vermitteln-Können, am liebsten natürlich vor neugierigen, erwartungsvollen Gesichtern. Dass man solche im Schulalltag durchaus nicht immer erlebte, vergisst man im Rückblick allzu gern.

    
behr-a-r@mail.dk